UNIKIMS, eine Beratungsausgründung der Universität Kassel, untersuchte diese Frage im Rahmen eines Masterprojekts, in dem die Behauptung aufgestellt wird, dass das autonome Fahren den ÖPNV in 10 - 15 Jahren regelrecht "überrollen" wird, falls man ÖPNV-seitig sich des Themas nicht annimmt, es zum Kernthema macht und die Politik mit einbindet. Tut man aber genau das, dann könnte das autonome Fahren allerdings den ÖPNV revolutionieren. 

 


Sollten die ÖPNV-Betriebe laut Alexander van Wersch (Projektleiter) sich nicht dazu durchringen können, gemeinschaftlich zu handeln, könne das autonome Fahren für den ÖPNV existenzbedrohend werden, da das Gefahrenwerden ohne eigene Fahrerlaubnis bisher ein Alleinstellungsmerkmal des ÖPNVs gewesen sei. Widerstände seien allerdings zu erwarten, da sich die Personalstruktur weg vom Fahren hin zu anderen Aufgabenbereichen verändern wird. Das Masterprojekt ist eine Kooperation zwischen der Universität Kassel und Kasseler Verkehrsbetrieben (KSV)  und somit sehr praxisorientiert. Es soll die Strategie hin zu einem ÖPNV mit autonomem Fahren entwickeln. 

Das Projekt fußt u.a. auf einem Positionspapier des VDV aus 2015, in dem dem autonomen Fahren ein disruptiver Effekt auf den Verkehrsmarkt zugeschrieben wird und "Geschäftsmodelle durcheinander wirbeln werde". Autopiloten seien in der Schiffahrt und im Luftverkehr seit langem üblich, im Straßenverkehr gibt es bisher nur eine fahrerlose U-Bahn, in Nürnberg, seit 2008, die in ihrer Verkehrsleistung fahrergebundene Fahrzeuge übertrifft. In anderen Ländern sind solche Fahrzeuge bereits verbreiteter, wobei in China bereits ein fahrerloser Bus in Einsatz ist, der wie eine Straßenbahn aussieht, elektrisch betrieben wird und sich an einer gestrichelten Linie auf der Straße orientiert. In UK gibt es ebenfalls bereits Tests mit elektrisch betriebenen, autonom fahrenden Kleinfahrzeugen. Der Trend sei unübersehbar und sollte von den ÖPNV-Betrieben bereits heute eingeplant werden. 

Ein Szenario, bei dem der schienengebundene Verkehr auf "backbone"-Strecken erhalten bleibe bzw. sogar noch ausgebaut werde, aber die Fläche von autonomen Fahrzeugen "on demand" (also auf Anforderung mit Smartphone) erschlossen werde, hält man im Projekt für wahrscheinlich. Eine Einbindung von Sharing-Unternehmen und damit die Schaffung intermodaler Mobilitätssysteme wird empfohlen. Dabei sind neue Angebotsformen zu entwickeln, auch das Ticketing muss sich ändern, eine Umstellung auf km-Basis oder Zeitbasis wäre für Fahrzeuge, die auf nicht festgelegten Routen die Fahrgäste "einsammeln", erforderlich. Die Politik müsse dies als Teil der Daseinsvorsorge begreifen und unterstützen. Autonomen ÖPNV-Fahrzeugen muss in vielen Bereichen Vorrang gegenüber dem autonomen Individualverkehr gesetzlich eingeräumt werden. Die Stadt könne durch Reduzierung von Fahrzeugen zum lebenswerten Raum umgestaltet werden. Neue Parkhäuser wären überflüssig, stattdessen wären mehr Grünflächen möglich.

Sollte die Politik diese Chance nicht be- und ergreifen, werde sie vertan, so Prof. Sommer, Leiter des betreuenden Lehrstuhls. Deshalb sei es erforderlich, der Politik die Bedeutung dieses epochalen Wandels eindrücklich vor Augen zu führen, um die erforderlichen Maßnahmen ergreifen zu können. Auf jeden Fall muss ÖPNV und Autonomes Fahren über eine intermodale Mobilitätsbeauskunftung unterstützt werden, die die Akzeptanz erheblich steigern wird. 

Siehe Link Verdrängt autonomes Fahren den ÖPNV?