Die Deutschen und ihre Autos - eine große Liebesgeschichte. Christoph Reimann führte ein Interview mit dem Zukunftsforscher Stephan Rammler im Deutschlandfunk (August 2017).
Über die Entstehung der Autoliebe der Deutschen kann Rammler auch nur spekulieren. Das Auto in Deutschland erfunden, starke Propaganda für das Fahrzeug während des Dritten Reiches, autofreundliche Politik von 1945 bis heute. Rammler zeigt auf, dass wir unsere Umwelt auch weitgehend nach den Erfordernissen des Automobils gestaltet und uns damit in den "Goldenen Käfig der Automobilität" begeben haben. Sicherlich sind da auch irrationale Identifikationen mit diesem Design-Produkt der Neuzeit mit im Spiel.
Auf die Frage des Interviewers, warum auch heute noch, in einer Zeit des sich abzeichnenden Kulturwandels in Bezug auf Automobilität die SUVs und große PKWs bevorzugt angeschafft werden, antwortet Rammler "weil wir es können". Er räumt ein, dass dies in ländlichen Räumen mit schlechter ÖPNV-Versorgung nachvollziehbar ist, aber in Städten, besonders mit großvolumigen SUVs, sei es aber nicht mehr rational. Hier dürfte neben erhöhter passiver Sicherheit das Prestigedenken eine wesentliche Rolle spielen. Ein Mentalitätswechsel ist jedoch dringend erforderlich angesichts verstopfter Städte, mangelnder Parkplätze, schlechter Luft und nervtötender Staus. Ist hier die Politik in erster Linie gefragt oder muss der Verbraucher selbst einen Mentalitätswechsel vollziehen? Rammler stellt fest, dass hier alle Seiten gefordert sind, Verbraucher, Industrie und Politik gleichermaßen. Er legt Wert darauf, dass niemandem etwas weg weggenommen werden soll, niemand soll gezwungen werden, vielmehr müssen alle Beteiligten verinnerlichen, dass die Transformation der Mobilität unumgänglich ist. Nachhaltigkeit, Digitalisierung und urbane Transformation fordern den Mentalitätswechsel immer dringlicher. Die Automobilität in Deutschland ist charakterisiert durch drei grundsätzliche Faktoren:
- Den Verbrennungsmotor,
- das Eigentum an einem Fahrzeug und das
- Selberfahren.
Und genau diese drei Dimensionen verändern sich weltweit derzeit massiv. Besonders Elektroautos werden in China, im Silikon Valley und im Bereich der investierenden Finanzindustrie immer stärker gefördert. Wenn Mobilität nachhaltig sein soll, muss sie mit "postfossilen" Fortbewegungsmitteln vorangetrieben und der Verbrennungsmotor mittel- bis langfristig abgeschafft werden. Ab 2025 dürften keine Verbrennungsmotoren mehr zugelassen werden, ab 2035 keine mehr auf den Straßen unterwegs sein, damit die Klimaziele erreicht werden können. Aber das reicht nicht aus, wir müssen auch immer mehr zu Sharing-Modellen und Fahrradnutzung übergehen um die Gesamtzahl der Fahrzeuge zu reduzieren, der Übergang zu Elektroautos allein ist nicht hinreichend. Das dauert lange und deshalb muss baldmöglichst begonnen werden.
Die Stadt der Zukunft muss weiter die bereits bestehenden Mobilitätsangebote vernetzen, um diese Ziele zu erreichen. Hier ist auch die Politik gefragt. Ansätze sind vorhanden, müssen aber konsequent weitergeführt werden. Städte wie Kopenhagen zeigen, dass es möglich ist, ÖPNV und Fahrradflotten miteinander zu vernetzen. Rammler meint jedoch, da der Deutsche sein Auto so liebt, dass es noch 10 bis 20 Jahre dauern wird, bis man sich hier bewegt.
Siehe auch Der Deutsche wird noch lange im Auto sitzen